Sozialversicherungsrecht II – Das Dreiecksverhältnis Arbeitgeber / Arbeitnehmer / Krankentaggeldversicherung

15. September 2023

Um ihre Lohnfortzahlung für kranke Angestellte abzusichern, schliessen Arbeitgeber oft eine kollektive Krankentaggeldversicherung (nachfolgend KTV) ab. In den Gesamtarbeitsverträgen sind KTVen meist verbindlich vorgeschrieben. Vertragspart­ner des Versicherungsvertrages sind die Arbeitgeberin und die KTV. Anspruchsberechtigt für die Versicherungsleistungen ist jedoch der erkrankte Arbeitnehmer, dem nach Art. 87 VVG mit Eintritt der Krankheit ein selbständiges Forderungsrecht gegenüber der KTV zusteht. Dieses Dreiecksverhältnis hat mitunter wichtige Konsequenzen: Leistet beispielsweise die KTV nicht, weil sie die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers bestreitet, steht der Arbeitgeberin kein selbständiges Klagerecht zu. Sie muss vielmehr den Arbeitnehmer zur Klage motivieren, wenn sie Vorleistungen erbracht hat. Leistet die KTV an die Arbeitgeberin erfüllt sie ihre Pflichten demgegenüber nicht mit befreiender Wirkung, wenn jene die Krankentaggeldleistungen nicht an den Arbeitnehmer weiterleitet. Dem Arbeitnehmer steht weiterhin eine Forderung gegenüber der KTV zu, welche eine doppelte Zahlung riskiert. Andererseits kann der Arbeitnehmer nicht auf Ausrichtung des Lohnes gegen die Arbeitgeberin klagen – die Krankentaggelder ersetzen ja die Lohnfortzahlung – sondern nur auf Schadenersatz wegen Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten (BGer 4A_514/2018 u. BGer 4A_557/2022). Auch in einem solchen Fall lohnt es sich, über einen Rechtsanwalt genau klären zu lassen, wer wem gegenüber welche Ansprüche hat. Falsches Klagen kann zum Prozessverlust (Nichteintreten) und zu vermeidbaren Prozesskosten führen.

Für sozialversicherungsrechtliche und arbeitsrechtliche Fragen wenden Sie sich gerne an unsere Fachspezialisten. Jürg Jakob, Rechtsanwalt & Notar.

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