Tarifsenkungen für Laboranalysen – Profit für Patienten?

5. Oktober 2020

Nationalrat für Tarifsenkungen

Der Nationalrat hat am 15. September 2020 die Motion von Christian Lohr (CVP/TG) angenommen und beschlossen, es sollen die Preise von Laboranalysen gesenkt werden. Fällt die Abstimmung im Ständerat befürwortend aus, muss der Bundesrat handeln. Es sollen jedoch keine pauschalen Tarifsenkungen vorgenommen, sondern der Tarif jeder Analyse neu berechnet werden.

Festlegung der Tarife für Laboranalysen

In der Analysenliste (AL) wird der verrechenbare Tarif je Analyse festgesetzt. Per 1. Juli 2009 wurde die total revidierte Analysenliste in Kraft gesetzt. Die letzte Anpassung der Liste erfolgte per 1. Juli 2020. Gleichzeitig beauftragte das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) das Bundesamt für Gesundheit (BAG) im Jahre 2009, die Auswirkungen der Revision im Rahmen eines Monitorings laufend zu beobachten. Laut der im Juni 2019 veröffentlichten Ergebnisse für die Jahre 2013-2015 wurden 2015 in der Schweiz von allen Leistungserbringern (z.B. Hausärzte, Spitäler, etc.) zusammen 91.1 Millionen Laboranalysen über die AL abgerechnet. Der damit generierte Umsatz betrug im Jahr 2015 CHF 1.5 Milliarden.

Die Anzahl abgerechneter Laboranalysen erscheint auf den ersten Blick als sehr hoch. Doch bereits ein einzelner Hausarzt mit eigener Praxis gibt 20 bis 30 Analysen pro Arbeitstag in Auftrag, was einem jährlichen Auftragsvolumen von 5‘200 bis 7‘800 Analysen entspricht.

Verwendung der Einnahmen

Die Labore setzen zwar viel Geld um, die Gewinnmargen sind jedoch je nach Grösse des jeweiligen Labors sehr unterschiedlich. Grosslabore profizieren davon, für Reagenzien bessere Preise aushandeln und die in der Anschaffung und im Unterhalt teuren Analysegeräte besser auslasten zu können. Ausserdem sind die durchschnittlichen Lohnkosten pro Mitarbeiter im Gegensatz zu denjenigen der Kleinlabore tiefer, weil Letztere verhältnismässig mehr hochqualifiziertes Personal einstellen müssen, um die gesetzlichen Vorgaben betreffend Qualitätssicherung erfüllen zu können.

Gross- und Kleinlabore arbeiten zwar mit denselben Tarifen, für die Kleinlabore sind die Kosten je Analyse jedoch erheblich höher. Kleinlabore haben demzufolge eine kleinere Gewinnmarge und auch weniger Geld für das Marketing zur Verfügung.

Aufwandentschädigung oder Direktmarketing?

Der Umsatz der Labore hängt von der Anzahl der erteilten Analyseaufträge ab. Je mehr Leistungserbringer Aufträge erteilen und je mehr Aufträge die jeweiligen Leistungserbringer erteilen, desto höher der Umsatz.

Einige Labore – Kleinlabore können sich solche Zahlungen nicht leisten – bezahlen vertraglich verbundenen Leistungserbringern pauschal CHF 10 pro Analyseauftrag. Sie vertreten mit Verweis auf die Richtlinie des Gesundheitsdepartements des Kantons Waadt die Meinung, damit präklinische Tätigkeiten des Leistungserbringers zu vergüten, die als Vergütung für eine Gegenleistung zu qualifizieren seien und deshalb nicht an die Patienten weitergegeben (Art. 56 Abs. 3 KVG) werden müssen. Konkret soll die elektronische Übermittlung von Analyseaufträgen die Labore administrativ entlasten und Behandlungsfehler vermeiden. Leistungserbringer sollen für ihre Zusatzarbeit entschädigt werden.

Im Jahr 2020 erfasst hoffentlich auch die überwiegende Mehrheit der Leistungserbringer die eigenen Daten elektronisch, die sichere Datenübertragung über die Schnittstellen ist gewährleistet. Es erscheint deshalb fraglich, wieso z.B. ein einzelner Hausarzt mit 5‘200 bis 7‘800 Analyseaufträgen pro Jahr vom Vertragslabor jährlich CHF 52‘000 bis CHF 78‘000 erhalten und behalten soll, wenn dieser faktisch keinen bedeutenden Mehraufwand betreiben muss. Ein Mehraufwand würde auf Seiten Leistungserbringer (und Labor) viel eher dann anfallen, wenn die Analyseaufträge nicht elektronisch erteilt würden. Ausserdem kann bei diesen Volumen auch nicht mehr von einer dem Aufwand entsprechenden Entschädigung gesprochen werden. Schliesslich kann ein Arzt gemäss vorgenanntem Beispiel mit der „Aufwandentschädigung“ eine Mitarbeiterin finanzieren, welche nur einen kleinen Teil ihres Arbeitspensums für die Übermittlung von Analyseaufträgen verwenden würde.

Die von den Behörden des Kantons Waadt geduldeten Zahlungen von CHF 10 pro Analyseauftrag sind unter diesem Licht betrachtet keine Aufwandentschädigungen, sondern viel mehr ein Direktmarketingsystem zwecks Kundenbindung. Solche Pauschalzahlung können nicht als Fee-for-Service betrachtet werden. Als direkte Vergünstigung müssten Ärzte als Leistungserbringer die Pauschalzahlungen von CHF 10 pro Analyseauftrag gestützt auf Art. 56 Abs. 3 KVG den Patienten weitergeben.

Profitieren Patienten von Tarifsenkungen?

Werden Tarife für einzelne Analysen angepasst, profitieren hiervon sicherlich die direktbetroffenen Patienten. Einzelne Patienten werden aufgrund von Tarifsenkungen direkt oder indirekt (über die Krankenkasse) weniger zahlen müssen.

Würden jedoch die Leistungserbringer der gesetzlichen Pflicht folgen und die direkten Vergünstigungen an die Patienten weitergeben, käme eine viel grössere Anzahl von Patienten n den Genuss von tieferen Rechnungen. Das BAG als Vollzugsverantwortliche ist gefordert!

lic. iur. HSG Nico Gächter, Rechtsanwalt & Notar, RTWP Rechtsanwälte & Notare, Rosenbergstrasse 42b, 9000 St. Gallen

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