Betreuungsunterhalt – wegweisender Bundesgerichtsentscheid

3. September 2018

Am 1. Januar 2017 trat der neue Art. 285 Abs. 2 ZGB zum Betreuungsunterhalt von Kindern in Kraft. Die neue Bestimmung sieht vor, dass der Unterhaltsbeitrag auch der Gewährleistung der Betreuung des Kindes durch die Eltern oder Dritte dienen soll. Der Gesetzgeber äusserte sich aber nicht zur konkreten Berechnung des neuen Betreuungsunterhaltsbeitrags. In der Folge setzten sich auf der kantonalen Ebene zwei Berechnungsmethoden, die Betreuungsquoten-Methode und die Lebenshaltungskosten-Methode, durch.

Das Kantonsgericht St. Gallen sprach sich im Grundsatzentscheid FO.2016.5 vom 15. Mai 2017 für die Betreuungsquoten-Methode aus (u.a. auch Kantone Luzern, Zug und Basel-Stadt). Nach dieser Methode wird der Betreuungsunterhalt nach dem Bedarf (Lebenshaltungskosten) des betreuenden Elternteils und der Betreuungsbedürftigkeit des zu betreuenden Kindes bzw. der Kinder berechnet. Nach der St. Galler-Praxis wird dabei stets von einer Bedarfspauschale des betreuenden Elternteils von CHF 2‘800.- pro Monat und einer Betreuungsbedürftigkeit des Kindes von 100% (bis zum vollendeten 6. Altersjahr), 65% (bis zum vollendeten 12. Altersjahr) bzw. 45% (bis zum vollendeten 16. Altersjahr) ausgegangen. Erreicht zum Beispiel das Kind das 7. Altersjahr, ist es demzufolge noch zu 65% betreuungsbedürftig, weshalb dem betreuenden Elternteil eine Erwerbstätigkeit mit einem Teilzeitpensum von 35% zumutbar ist. Daraus resultiert ein Betreuungsunterhalt von CHF 1‘820.- pro Monat (65% von CHF 2‘800.-) zugunsten des betreuten Kindes. Bei mehreren Kindern kommt es zu entsprechenden Mischrechnungen.

In anderen Kantonen (u.a. Kantone Thurgau, Zürich, Aargau, Basel-Landschaft, Bern, Freiburg, Solothurn und Waadt) setzte sich demgegenüber die Lebenshaltungskosten-Methode durch. Dabei entspricht der Betreuungsunterhalt der Differenz zwischen den Lebenshaltungskosten (familienrechtliches Existenzminimum) und dem Einkommen des betreuenden Elternteils. Angenommen die monatlichen Lebenshaltungskosten eines betreuenden Elternteils betragen CHF 2‘900.- und das eigene Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit mit Teilzeitpensum CHF 1‘500.-, beläuft sich der Betreuungsunterhalt auf CHF 1‘400.-. Übersteigt das Einkommen des betreuenden Elternteils seine Lebenshaltungskosten, ist im Unterschied zur vorerwähnten Betreuungsquoten-Methode kein Betreuungsunterhalt geschuldet.

Das Bundesgericht hat kürzlich in einem Grundsatzentscheid 5A_454/2017 vom 17. Mai 2018 durchblicken lassen, die Lebenshaltungskosten-Methode vorzuziehen. In seinem Urteil kam es dabei zum Schluss, dass die Lebenshaltungskosten-Methode dem Willen des Gesetzgeber am ehesten entspreche und zudem den Vorteil habe, dass es in der Praxis leicht zu handhaben sei.

In der Konstellation unverheirateter Eltern, insbesondere in günstigen finanziellen Verhältnissen, könnte der unterhaltspflichtige Elternteil daher gut beraten sein, sich fortan auf diese neue Bundesgerichtspraxis zu berufen.

 

Lic. iur. Thomas Kern, Rechtsanwalt, Notar & Mediator SAV

 

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