3. September 2024
Wichtige Änderungen der Zivilprozessordnung (ZPO) per 1. Januar 2025
Am 1. Januar 2025 tritt die erste umfassende Revision der seit dem 1. Januar 2011 geltenden ZPO in Kraft. Die neuen Bestimmungen erleichtern den Rechtssuchenden den Zugang zum Gericht und verbessern damit die Durchsetzung berechtigter Ansprüche. Im Folgenden wird auf einige wichtige und für die Praxis relevante Aspekte eingegangen.
Prozesskostenvorschüsse
Gemäss geltendem Recht kann der Kläger verpflichtet werden, die mutmasslichen Gerichtskosten vollumfänglich vorzuschiessen. Dies stellt für Rechtssuchende oft eine grosse Hürde dar. Neu betragen die Vorschüsse grundsätzlich noch maximal die Hälfte des mutmasslichen Gesamtbetrags. Der Zugang zum Gericht wird damit künftig auch Personen erleichtert, welche die Voraussetzungen für die unentgeltliche Rechtspflege nicht erfüllen. Von der neuen Regelung gibt es allerdings auch Ausnahmen (z.B. im Rechtsmittelverfahren oder im Rahmen der internationalen Handelsgerichtsbarkeit). Die Kantone sind sodann weiterhin für den Erlass der Gerichtskostentarife zuständig und es ist nach wie vor von teilweise erheblichen Diskrepanzen in der Kostenhöhe im interkantonalen Vergleich auszugehen. So ist es erstaunlicherweise im Kanton St. Gallen häufig teurer zu prozessieren als im Kanton Zürich!
Säumnis im Schlichtungsverfahren
Angesichts der Bedeutung der persönlichen Anwesenheit der Konfliktbeteiligten für die Schlichtungsverhandlung und deren vordringliches Ziel der Schlichtung statuiert die ZPO eine grundsätzliche Teilnahmepflicht der Parteien. Neben den Säumnisfolgen soll eine säumige (klägerische oder beklagte) Partei neu mit einer Ordnungsbusse von bis zu CHF 1‘000.00 bestraft werden können
Internationale Handelsgerichte
Die geänderte ZPO ermöglicht es den Kantonen, internationale Handelsgerichte zu schaffen, was den Gerichtsplatz Schweiz im internationalen Vergleich stärkt. Diese Gerichte können für zuständig erklärt werden, wenn mindestens eine Partei ihren Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthaltsort oder Sitz im Ausland hat, der Streitwert mindestens CHF 100’000.00 beträgt, die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei betroffen ist und beide Parteien der Zuständigkeit zustimmen. An den internationalen Handelsgerichten wird Englisch als Verfahrenssprache zulässig sein, wobei das Bundesgericht seine Verfahren aber weiterhin in einer Landessprache führen wird. Die Einreichung von Rechtsschriften in englischer Sprache ist in diesen Fällen aber auch beim Bundesgericht möglich.
Digitale Durchführung von Verhandlungen
Gerichte können künftig Verhandlungen in Zivilprozessen unter bestimmten Voraussetzungen mittels elektronischer Ton- und Bildübertragung durchführen. Die technischen und datenschutzrechtlichen Einzelheiten regelt der Bundesrat in einer Verordnung.
Mitwirkungsverweigerungsrecht für unternehmensinterne Rechtsdienste
Für Unternehmensjuristen gilt neu ein besonderes Mitwirkungsverweigerungsrecht im Zivilprozess. Dies soll unter der Voraussetzung gelten, dass die betreffende Tätigkeit des Unternehmensjuristen bei einem Anwalt oder einer Anwältin als berufsspezifisch gelten würde und der Leiter bzw. die Leiterin des Rechtsdienstes über ein Anwaltspatent verfügt.
Massnahmen gegen Medien
Das gesetzgeberische Versehen, Massnahmen gegen periodisch erscheinende Medien nur für drohende, nicht aber bestehende Verletzungen vorzusehen, wird korrigiert.
(verfasst von: Dr. iur. Rebecca von Rappard, Rechtsanwältin & Notarin, rtwp rechtsanwälte & notare, Rosenbergstrasse 42b, 9000 St. Gallen)