Vergünstigungen an Ärzte – Kontrollen drohen

13. März 2020

Kontrolle der Einhaltung der Weitergabepflicht

Mit einem Rundschreiben vom 2. März 2020 hat die Tarifsuisse AG medizinische Labore darüber orientiert, Ärzte bzw. Arztpraxen stichprobenweise zu überprüfen. Ziel dieser Überprüfungen ist u.a., zu kontrollieren, ob die Leistungserbringer (Ärzte, etc.) ihrer Pflicht zur Weitergabe von direkten oder indirekten Vergünstigungen an Patienten etc. (Art. 56 Abs. 3 KVG) nachkommen oder nicht. An die Weitergabepflicht und die Folgen von Pflichtverletzungen haben wir Sie bereits im Januar 2020 erinnert.

Mittels Rundschreiben werden die medizinischen Labore von der Tarifsuisse AG aufgefordert, Ärzten auch keine der nachfolgend aufgezählten indirekten Vorteile zu gewähren oder zu verschaffen:

  1. Verschaffung medizinischer Geräte oder Materialen zu reduziertem Preis (ohne Zusammenhang mit der veranlassten Probeentnahme), namentlich Laborgeräte (point of care testing), Labor-Verbrauchsmaterial (z.B. point of care testing-Reagenzien) oder Geräte wie Holter oder Spektrometer;
  2. Teil- oder vollständige Finanzierung von Serviceverträgen betreffend Geräte oder Dienstleistungen Dritter, z.B. Abonnemente für Telefonie, Internet, IT;
  3. Verschaffung weiterer Infrastruktur, u.a. Miete, Möbel, allgemeine Praxissoftware, Telefonie, Tablets, Computer oder Büromaterialen zu reduziertem Preis;
  4. Gewährung von Benzinkarten oder Gutscheinen (z.B. für Gastronomie, Reisen, Vergünstigungen etc.);
  5. Gewährung von Gratisanalysen;
  6. Vergütung von Logistikdienstleistungen über die Kosten der notwendigen Arbeiten (d.h. Zeitaufwand des Arztes oder Mitarbeitenden für z.B. die Organisation der Probeabholung) hinaus und Vergütungen für die elektronische Übermittlung;
  7. Vergütung von Reisen, Hotels und anderen Ausgaben (sofern nicht in direktem Zusammenhang mit einer dokumentierten, angemessenen Gegenleistung);
  8. Beteiligung am Labor oder einer vom Labor wirtschaftlich beherrschten Gesellschaft (Aktien, Partizipationsschein, Genussscheine, Verwaltungsratshonorare usw.), sofern nicht zu Marktkonditionen.

Diese Aufforderung gilt nur, soweit Vorteile im Gesamtwert von über CHF 300 pro Jahr und Arzt (inkl. angestellte oder wirtschaftliche verbundene Personen) gewährt werden.

Handlungsbedarf für Ärzte / Arztpraxen

Wer Vorteile von medizinischen Laboren bezieht und ev. weiterhin beziehen will, muss diese nicht nur systematisch erfassen und dokumentieren (Transparenzvorschriften; Art. 10 VITH), der sollte die Vorteile, soweit diese CHF 300 pro Jahr übersteigen, auch dem oder den Patienten weitergeben und dies ebenfalls erfassen und dokumentieren.

Das Missachten der Weitergabepflicht kann mit einer Geldstrafe von bis zu 180 Tagessätzen bestraft werden. Die Höhe des Tagessatzes richtet sich nach dem Einkommen und kann je Tagessatz bis zu CHF 3‘000 betragen.

Warum wird Tarifsuisse aktiv?

Laut Tarifsuisse gibt es Hinweise, dass Ärzte, welche Analysen bei Laboren in Auftrag gegeben haben, im Gegenzug in den Genuss von übermässigen direkten oder indirekten Vergünstigungen gelangt sind und diese nicht an die Patienten im Sinne von Art. 56 Abs. 3 KVG weitergegeben haben.

Die Tarifsuisse AG (eine Tochtergesellschaft von santésuisse) bezeichnet sich als grösste Leistungseinkäuferin im KVG-Bereich. Ihr sind aktuell 44 Krankenkassen mit einem Marktanteil von ca. 60% angeschlossen. Zu ihren Hauptaufgaben zählt die Tarifsuisse AG u.a., im Auftrag von Versicherern Leistungserbringer (z.B. med. Labore, Ärzte, etc.) zu erkennen, welche Tarife missbräuchlich anwenden und damit die Wirtschaftlichkeitsgebote verletzen, oder im Auftrag von santésuisse Leistungserbringer zu erkennen, deren Kosten signifikant über dem Durchschnitt liegen.

lic. iur. HSG Nico Gächter, Rechtsanwalt & Notar, RTWP Rechtsanwälte & Notare, Rosenbergstrasse 42b, 9000 St. Gallen

 

 

 

Zur Übersicht